EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat das in der Flüchtlingskrise tief zerstrittene Europa eindringlich zur Einigkeit aufgerufen.
„ Es fehlt an Europa in der Europäischen Union und es fehlt an Union in der Europäischen Union.“
In seiner Rede zur Lage der Union hat Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker heute in Straßburg gesagt: Es sei eine Frage der Menschlichkeit und der menschlichen Würde, den Hunderttausenden Flüchtlingen zu helfen. Die EU-Staaten hätten die Mittel und Möglichkeiten dazu. Die Vorschläge Junckers sehen u.a. eine Notumsiedlung von rund 160.000 Flüchtlingen innerhalb der EU vor. Griechenland, Ungarn und Italien könnten mit der Last nicht alleine gelassen werden.
„Ich rufe alle Mitgliedsstaaten auf, die Vorschläge der Kommission für ein Notfall-Verteilungssystem für insgesamt 160.000 Flüchtlinge beim Treffen der Innenminister am 14. September anzunehmen.“
Nicht nur Beifall
Im Europaparlament hat Jean-Claude Juncker für seine Rede viel Beifall geerntet. Es gab aber auch mahnende Stimmen. Der Vorsitzende der christdemokratischen EVP-Fraktion Manfred Weber forderte einen Schutz der Außengrenzen.
„Im letzten Jahr wurden zwei Drittel aller Menschen, die in Europa ankamen, nach einem rechtsstaatlichen Verfahren abgewiesen – wurden nicht akzeptiert als Flüchtlinge. Deswegen spricht sich meine Fraktion auch dafür aus, die Fragestellung Rückführung, die Fragestellung auch der Außenschutzkontrolle, auch der sicheren Drittstaaten nicht aus den Augen zu verlieren. Die Menschen erwarten, dass wir bestehendes Asylrecht auch anwenden und umsetzen und Missbrauch bekämpfen.“
Warnung vor Referendum
Der Parteichef der EU-feindlichen britischen Ukip warnte Juncker mit Blick auf das EU-Referendum in Großbritannien „Sie müssen bei den Verhandlungen mit Premierminister David Cameron uns die Kontrolle über unsere Grenzen zurückgeben, sonst wird Großbritannien beim Referendum mit nein stimmen. Für Marine le Pen, die Chefin des rechtsextremen Front National in Frankreich, sind die Flüchtlinge, die auf die EU-Länder verteilt werden sollen, alle „Illegale“.
Wie die Flüchtlingskrise bewältigt werden kann
Die EU-Kommission hat heute auch ihre Vorschläge zur Bewältigung der Flüchtlingskrise vorgestellt. EU-Kommissar Dimitris Avramopolous sagte dabei, die Notfallpläne seien bei weitem nicht genug. Die Krise zeige auch, dass die EU schlecht auf solch außergewöhnliche Herausforderungen vorbereitet sei. Die Kommission schlägt deshalb u.a. ein dauerhaftes Verteilungsschema vor. Außerdem eine EU-Liste sicherer Herkunftsländer. Auf dieser Liste stehen alle Westbalkan-Staaten und die Türkei. Und Europa brauche legale Einwanderungswege.
Zugverkehr gestoppt
In Dänemark hat die Bahn heute den Zugverkehr zwischen Deutschland und Dänemark eingestellt. Der Grund sind hunderte ankommende Flüchtlinge. Der Bahnstopp gelte zunächst auf unbestimmte Zeit, sagte ein Sprecher der dänischen Bahngesellschaft.
Geld für Kunden besser absichern
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will das Geld von Bankkunden in der EU über Grenzen hinweg besser absichern. Die Kommission werde noch in diesem Jahr einen Gesetzesvorschlag vorlegen. Bislang gebe es nur nationale Sicherungssysteme für Kundengelder. Der Aufbau eines gemeinsamen europäischen Einlagensicherungsfonds war bislang vor allem am deutschen Widerstand gescheitert. Das Bundesfinanzministerium und die Sparkassen lehnen die EU-Pläne nach wie vor ab. Sie befürchten, dass eigene Sicherungstöpfe zum Sparerschutz im Fall von Problemen in anderen EU-Ländern angezapft werden könnten.