Panik auf keinen Fall

Nach der Europawahl wird noch viel Nachlese betrieben. Wer hat wen warum gewählt, oder auch nicht? Vor allem zum rechten Spektrum ist der Fragenkatalog noch nicht abgearbeitet. Doch was bedeuten die nationalen Ergebnisse für die künftige Arbeit des EU-Parlaments? Jamie Shea, Senior Fellow bei der Brüsseler Denkfabrik „Friends of Europe“ meint im Gespräch mit Euranet Plus ganz grundsätzlich:

„Panic, certainly no.“

Für Jamie Shea sollte auch nicht nur auf die Ergebnisse in Deutschland, Frankreich oder Italien geschaut werden.

„Europa besteht aus 27 Mitgliedstaaten. Und wenn man sich das Ganze anschaut, ergibt sich ein ganz anderes Bild.“

Beispiele seien Schweden mit erstarkten Sozialdemokraten, oder Ungarn, wo die Fidesz-Partei oder Viktor Orbán ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Europawahl seit dem EU-Beitritt Ungarns im Jahr 2004 erzielt hätten. Für Jamie Shea wird die gestärkte Parteienfamilie EVP zusammen mit der S&D und den Liberalen eine komfortable Mehrheit im EU-Parlament bilden können.

Holger Winkelmann | Euranet Plus

„Die extreme Rechte verfügt über etwa 25 Prozent der Sitze. Das ist zwar beachtlich, reicht aber nicht aus, um die EU-Agenda zu dominieren oder die Situation zu kontrollieren.“
Ein weiterer Punkt ist die Uneinigkeit der Rechten untereinander, so Shea. Im EU-Parlament gibt es die EKR, also die Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer, sowie die ID, die Fraktion Identität und Demokratie. Beide Fraktionen sind rechtspopulistisch, nationalistisch, EU-kritisch, sich untereinander nicht immer grün, und bislang nicht in der Lage, eine Gruppe zu bilden.

Ich denke, es wäre zu einfach, alle extremen Rechten in einen Topf zu werfen. Manche sind für die Ukraine, manche für die NATO, manche für die USA, andere eher für Russland, eher isolationistisch. (…) Sie sind nicht alle gleich. Weil sie auch nationalistisch sind, fällt es ihnen schwerer oder sie sind weniger daran interessiert, international zusammenzuarbeiten, als jene zentristischen Parteien, die an den Wert der Zusammenarbeit auf europäischer Ebene glauben und bereit sind, stärker multilateral zu arbeiten.“
Unterm Strich bleibt also vorerst für Jamie Shea von Friends of Europe:

„Ich möchte das Problem nicht völlig herunterspielen, aber Panik ist auf keinen Fall angebracht.