Bauchkribbeln im Kettenkarussell, der erste Kuss im Musikexpress… Jahrmärkte sind nicht nur bunt und schillernd, da schwingt auch immer so ein Hauch Nostalgie mit. Doch die zu halten, macht die deutsche Umsetzung einer Norm der EU-Kommission vielen Schaustellern nahezu unmöglich. Vielen alten Fahrgeschäften droht das Aus.
Wir werden nicht nur älter, sondern auch größer und eben schwerer. Und bevor möglicherweise mal eine Gondel unter uns zusammenbricht, hat die EU-Kommission Handlungsbedarf gesehen. Neue Karussells in Deutschland werden schon nach der neuen Norm gebaut, doch die alten müssen für teures Geld umgerüstet werden. Doch genau bei der Frage, was denn nun umgerüstet werden muss, bleibt noch vieles offen, sagt Wolfgang Michael vom Schaustellerverein Minden-Lübbecke: „Weil die Menschheit größer und schwerer geworden ist, müssen für die Karusselle andere Bemessungen her. Aber wie die im Detail aussehen sollen – und das ist das Seltsame an dieser Geschichte – wissen die selbst nicht so genau. Da sind die einzelnen Bundesbauämter gefragt , um zu klären, wie man das umsetzt. Und das ist das Problem, das wir Schausteller eben mit dieser Din-Norm haben.“ Heißt: Die Schausteller müssen jetzt dreißig- bis vierzigtausend Euro zum Umrüsten aufbringen, sonst droht ihnen künftig bundesweit der Verlust ihrer Betriebsgenehmigung. Aber anschließend wissen sie nicht genau, ob es auch gereicht hat.
Andere europäische Regierungen haben die Umsetzung anders geregelt, erklärt Wolfgang Michael: „In Deutschlad haben wir den Passus gestrichen, dass unsere alten Anlagen auch nach der alten Din-Norm gewertet werden und nicht nach der neuen. Und diese neue Din-Norm besagt halt, dass die Gewichte pro Fahrgast nicht mehr bei 50 bis 60 Kilogramm Körpergewicht liegen, sondern bei 80 bis 100. Und das ist das Problem.“ Michael erklärt die Norm an einem einfachen Beispiel: „An eine 50 oder 60 Jahre alte Raupenbahn kann man nicht einfach beigehen. Da sind viele Teile aus Holz, weil die nunmal früher so gebaut wurde. Die müsste heute neue Ausleger aus Stahl bekommen – und das kann man nicht umsetzen. Dann muss man so ein Karussell verrotten lassen…“
Schon jetzt stellen Schausteller ihr altes Karussell in die Ecke, weil das nötige Geld zum Umrüsten fehlt. Da stehen laut Michael dann auch schnell Existenzen auf dem Spiel. Er fordert, dass die deutschen Bauministerien den Schutz für bestehende Anlagen, den die EU in ihrer Norm hat, doch anerkennt. In Niedersachen ist das Ganze bald auch Thema im Landtag.