Diskussionen um Syrien-Abschiebungen

Der Rauch nach der Blitzoffensive der islamistischen Rebellen in Syrien war noch nicht ganz verflogen, da hat Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer in einer Videopbotschaft am Montag angekündigt:

“Wir haben auf der einen Seite ja Asyl auf Zeit für die, die zu uns gekommen sind, und auf der anderen Seite, die die um Asyl ansuchen; diese Asylverfahren werden jetzt ausgesetzt.”

In Deutschland heißt es vom BAMF: „Angesichts der Situation in Syrien hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entschieden, Entscheidungen zu Antragstellenden aus dem Herkunftsland Syrien zunächst zurückzustellen.“ Wer jetzt sofort über Abschiebung redet, hat nicht verstanden, was in Syrien vorgeht, meint die Bundesaußenministerin. Die Debatte in Deutschland sei befremdlich, sagt Anna-Lena Baerbock. Vor allem von denen, die gefordert haben, das Gespräch mit Assad zu suchen, und Abschiebungen voranzutreiben.

Christophe Licoppe

“…offensichtlich in vollkommener Unkenntnis der Lage Syriens. Und zum Teil jetzt die gleichen Leute, die noch vor einigen Wochen eine Normalisierung mit dem Massenmörder Assad gefordert haben, jetzt, offensichtlich auch in vollkommener Unkenntnis, 48 Stunden, nachdem sich alles verändert hat, bereits wissen, dass alle wieder zurückkehren können.“

Primož Šterbenc von der Universität Primorska hat den Euranet Plus-Kollegen von RTV in Slowenien gesagt: Die EU-Mitgliedstaaten werden ein lockeres Maß an die Demokratie in Syrien anlegen, wenn es um die Rückführungen geht.

„Sie werden nicht aufs Detail schauen, wenn sie verkünden, dass Syrien stabil geworden ist, denn wie wir sehen, wächst dieser Rechtstrend in der EU, radikale rechtspopulistische Parteien gewinnen an Stärke und es wird zwingend notwendig sein, syrische Flüchtlinge zurückzubringen. In diesem Sinne werden die Kriterien, die definieren, wann ein syrischer Staat stabil ist und wann nicht, nicht mehr so wichtig sein.«

Die Euranet-Kollegen von Latvias Radio haben mit dem Experten für Sicherheitspolitik im Nahen Osten Toms Rātfelders gesprochen. Er sagt: Syrien, mit vielen religiösen Gruppen, ist nicht so einfach über einen Kamm zu scheren.

„Alles wird davon abhängen, inwieweit diese Rebellengruppen zusammenarbeiten können, wenn ihr gemeinsamer Feind verschwunden ist. Aus der Geschichte wissen wir, dass uns nichts so sehr eint wie ein gemeinsamer Feind. Wenn dieser Feind verschwindet, treten andere Interessen zutage, die möglicherweise nicht immer vereinbar sind.“