Abmahnung für Kommissare – Die Presseschau

EU-Kommissionschef Juncker hat den Roaming-Vorschlag seiner Kollegen gerügt. Jahrelang hatte die EU versprochen, dass die Gebühren irgendwann abgeschafft werden. Nun sollte es doch nur 90 Tage im Jahr freies Internet im Ausland geben. Aber nicht mit Juncker, schreibt ein Westfalen-Blatt Autor:

Presseschau

„Diese klare Sprache wünscht man sich von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker öfter. Die Mahnung für die beiden Kommissare Günther Oettinger und Andrus Ansip kommt fast einer Abmahnung gleich. Dabei geht es auf den ersten Blick »nur« um die sogenannten Roaminggebühren, also die Auslandszuschläge für mobiles Internet, Telefon und SMS. Sie sind ärgerlich, aber nach einigen Senkungsrunden nicht mehr ruinös. Doch Juncker weiß, dass er vorsichtig sein muss. Es genügt nicht, dass Europa gut für die Wirtschaft und für die Landwirtschaft ist; Brüssel muss auch, um nicht weiter an Zustimmung zu verlieren, den Bürgern – und das heißt im wirtschaftlichen Zusammenhang: den Verbrauchern – etwas bieten. Es ist für die Bürger nicht einzusehen, warum Automobile, Fleisch und andere Waren die innereuropäischen Grenzen zollfrei passieren dürfen, der Handykunde aber in gleicher Situation zur Kasse gebeten wird.“

EU-Digitalkommissar Oettinger hat in dieser Woche abermals seine Pläne zum Leistungsschutzgesetz vorgestellt. Es besagt, dass Europäische Verleger Schutzrechte gegenüber Onlinediensten – von Google über Facebook hin zu App-Anbietern wie Flipboard – einklagen können. Eine Zeit-Autorin weiß, in Deutschland ist dieser Plan bereits gescheitert und könnte neues Unheil bringen:

„Die EU-Pläne könnten das freie Setzen von Links erschweren: Während die nackte URL unproblematisch ist, lässt der Vorschlag im Unklaren, ob Nutzer auch kurze Anreißer und Überschriften ergänzen dürfen – auf Plattformen wie Facebook passiert das schon ganz automatisch. Zwar ist der finale Entwurf noch um eine Passage zu diesem Problem ergänzt worden. Oettinger und EU-Vizekommissionspräsident Andrus Ansip betonten außerdem in der Pressekonferenz, dass niemand Bürgern ihre Links verbieten wolle, wie es Netzaktivisten und EU-Politiker befürchten. Eindeutig steht das aber immer noch nirgends geschrieben. Oettinger, der unkorrigierbar von einer „Gigabyte-Gesellschaft“ spricht, dafür aber Menschen, deren Nacktbilder von Hackern ins Netz gestellt wurden, „Dummheit“ bescheinigte, setzt nun einfach darauf, dass es auf EU-Ebene schon klappen wird mit dem Leistungsschutzrecht.“

Ein Autor der Frankfurter Allgemeinen hat sich mit der Rede des Kommissions-Chefs Juncker beschäftigt. Der hatte in seiner Rede „zur Lage der EU“ gesagt, dass ganz schnell Einigkeit unter den Mitgliedstaaten hermüsse, damit sie auch eine Zukunft hat:

„Mit wie vielen Krisen kann ein politisches System gleichzeitig fertig werden, bevor es kollabiert? Die Frage stellt sich der EU mit banger Dringlichkeit. Schulden, Jugendarbeitslosigkeit, Flüchtlinge, Terror, Tohuwabohu in der Nachbarschaft, Nationalismus, Akzeptanzschwund und jetzt noch Brexit – man kommt beim Aufzählen ganz außer Atem. Nein, die Lage der Union ist nicht kommod, das gesteht selbst der Kommissionspräsident Juncker ein. Vielleicht war die Gefahr des Auseinanderbrechens tatsächlich niemals so groß wie heute. Was also tun? Junckers Vorschläge reichen von einem so gewaltigen Investitionsprogramm, dass man schon fest im Glauben sein muss, um Verschwendung auszuschließen, bis zu verstärkter militärischer Zusammenarbeit. Wahr ist: Es gibt nicht das eine Antikrisenrezept. Aber es gibt Voraussetzungen: Die EU-Institutionen könnten auf Machtanmaßung verzichten, die Mitgliedstaaten auf Sabotage und das Dämonisieren von Brüssel (und von Berlin). Alle zusammen könnten Regeln einhalten und verwirklichen, worauf man sich geeinigt hat. Am Ende zählen nur Ergebnisse.“