Die Menschenrechtsorganisation Human Watch hat in dieser Woche enthüllt, dass an der türkisch-syrischen Grenze auf Flüchtlinge geschossen wird. Ein Auto des Spiegel hat sich darüber Gedanken gemacht, im Hinblick auf den EU-Türkei-Deal:
Die EU hat die Türkei zum Partner verklärt: Präsident Recep Tayyip Erdogan, lange Zeit als Paria geächtet, soll für Europa den Türsteher geben und Flüchtlinge an der Weiterreise nach Europa hindern. Schlechte Nachrichten, wie Tote an den Grenzen, blendet die Bundesregierung aus. Die Öffentlichkeit lässt der vermeintlichen Flüchtlingskanzlerin Merkel diese Ignoranz durchgehen. Die Deutschen regen sich über Erdogans Tiraden gegen Jan Böhmermann auf. Für das Schicksal der Flüchtlinge im türkisch-syrischen Grenzgebiet interessieren sie sich nur mäßig. Zumindest auf einer Ebene hat der Flüchtlingsdeal funktioniert: Er hat das Problem mit den Flüchtlingen vom Zentrum Europas in die Peripherie verschoben. Unterstützer des Deals mit der Türkei sagen, es gebe zu diesem nur eine Alternative: Zäune, das Europa Viktor Orbans. Doch das ist falsch. Die EU könnte schlicht das tun, was ihre Grundrechtscharta und das deutsche Grundgesetz versprechen – und was Anstand und Vernunft gebieten: Menschen in Not Schutz gewähren. Europa leidet unter keiner Flüchtlingskrise. Der Libanon, ein Land mit vier Millionen Einwohnern und einer Million Flüchtlingen, leidet unter einer Flüchtlingskrise. Europa leidet unter einem Mangel an Empathie und Solidarität.
Schmutziger Brexit-Wahlkampf
Nicht mehr lange, dann wollen die Briten über den Austritt aus der EU abstimmen. Am 23. Juni ist es soweit und ein Autor der TAZ ist sich sicher, das wird ein schmutziger Wahlkampf bis dahin:
Am Ende dürften die Briten so genervt sein, dass Europa bei ihrer Wahlentscheidung gar nicht unbedingt an oberster Stelle steht. Die Eröffnung der heißen Wahlkampfphase durch Premierminister David Cameron lässt wenig Gutes erhoffen. Er erklärte die EU-Mitgliedschaft Großbritanniens zu einer Frage von Krieg und Frieden: Nur gemeinsam könne man dem russischen Nationalismus und dem islamistischen Terror entgegentreten. Egal, was man davon hält: Diese Art von Alarmismus kommt nicht gut an. Wer einen EU-Austritt für so gefährlich hält, sollte ihn nicht bei Verhandlungen mit den EU-Partnern als Druckmittel einsetzen, so wie es Cameron getan hat. Da Cameron außerdem für den Fall eines Brexit-Votums im Amt bleiben will, müsste er hinterher im Interesse seines Landes alles tun, um zu verhindern, dass das eintritt, wovor er zuvor gewarnt hat. Den Austritt aus der EU als Schritt zu mehr Freiheit und Selbstbestimmung darzustellen, wie es Camerons Hauptwidersacher Boris Johnson in seiner Gegenrede getan hat, ist oberflächlich attraktiv, aber mehr Träumerei als reale Perspektive. Die meisten Briten wollen einfach, dass es ihnen nach Jahren der Entbehrung wieder besser geht. Sie erwarten Lösungen für reale Probleme, nicht für solche, die bisher keine waren und die profilierungssüchtige Politiker ihnen einzureden versuchen.
Glyphosat soll erlaubt bleiben
Der umstrittene Unkrautvernichter Glyphosat soll in der EU weiter erlaubt bleiben. Das hat die EU-Kommission in dieser Woche beschlossen. Unter Verbaucher- und Umweltschützern herrscht Empörung. Ein Autor der Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen sieht es so:
Wenn Wissenschaftler streiten, ist der Verbraucher der Geschädigte. Der Laie kann Argumente nicht prüfen, sondern lediglich glauben – und vielleicht die Autorität der Institutionen zum Kriterium für seine Meinung machen. Glyphosat ist so ein Fall. Die einen halten das Herbizid für echtes Teufelszeug, das Rückstände in Nahrungsmitteln hinterlässt, die so in den menschlichen Körper gelangen. Die anderen loben das Wundermittel als Präparat gegen die Vernichtung ganzer Ernten – und damit als einen Beitrag im Kampf gegen den Hunger in der Welt. Der Verdacht, das Mittel könne aber am Ende krebserregend sein, wiegt schwer. Als vor wenigen Wochen 100 Wissenschaftler einen Brandbrief an die Brüsseler EU-Kommission schrieben, geschah dies nicht leichtfertig. Nur was soll die Zulassungsbehörde denn machen? Auch sie sitzt zwischen allen Stühlen. Ohne den 28 Kommissaren zu nahe treten zu wollen – das Team um Präsident Jean-Claude Juncker muss seinen Experten folgen. Und die sehen bestenfalls ein zu vernachlässigendes Risiko. Würde sich die Kommission gegen ihre eigene Lebensmittel-Agentur stellen, könnte sie diese auch gleich auflösen.