Es ist ein kräftiger Tritt vor das Schienbein des türkischen Präsidenten Recep Erdogan. Das Gute für ihn ist, es weiß noch keiner. Die EU-Kommission hat einen Bericht zur Lage in der Türkei verfasst, hält ihn aber, so der Vorwurf, bis zur nächste Woche zurück. Holger Winkelmann hat die Hintergründe.
Am Sonntag wird in der Türkei gewählt. Schlechte Publicity kann Recep Erdogan da nun wirklich nicht gebrauchen. Die EU-Kommission scheint ihm diesen Gefallen zu tun. Die CDU-Europaabgeordnete Renate Sommer ist überzeugt, dass die Behörde den Bericht bewusst zurück hält, und macht aus ihrer Meinung darüber keinen Hehl.
„Ich halte das insgesamt für einen ungeheuerlichen Vorgang. Es ist nicht üblich dass man auf Wahlen Rücksicht nimmt. Wenn wir das tun würden, könnten wir unsere Arbeit hier ganz einstellen. Irgendwo in der Europäischen Union oder darüber hinaus sind immer Wahlen. Ich finde das nicht richtig.“
Was genau drin steht in dem Bericht, weiß Renate Sommer zwar nicht, ihre Vermutung ist aber nicht positiv.
„Das ist kein Fortschrittsbericht sondern ein Rückschrittsbericht. Die Türkei verstößt gegen alle europäischen Grundwerte im Moment. Und das steht da drin. Und ich denke, das das türkische Volk das Recht hat, das offiziell zu erfahren.“
Aber wohl eben erst nach der Wahl am Sonntag. Hinter der Zurückhaltung der Kommission steckt laut Sommer ein ganz klares Kalkül.
„Es geht das Gerücht um, dass Herr Erdogan diesen Fortschrittsbericht schon bekommen hat, kurz bevor er nach Brüssel gefahren ist. Und das er sich verärgert gezeigt habe. Und das könnte ein Grund sein, warum die europäische Kommission sagt, ach, wir veröffentlichen den Bericht lieber erst nach der Wahl in der Türkei. Denn wir wollen ja schließlich etwas von der Türkei – in der Flüchtlingsfrage.“
Und da will es sich die EU wohl nicht mit einem wichtigen Partner verscherzen.