Beim EU-Gipfeltreffen der Staatschefs hat es in dieser Woche vor allem wieder viel Uneinigkeit in Sachen Flüchtlinge gegeben. Ein Autor der Neuen Osnabrücker Zeitung schrieb:
Es gibt Zahlen, die sind einfach niederschmetternd. So etwa diese: Im September haben die EU-Staaten beschlossen, 160.000 Flüchtlinge umzuverteilen, um Italien und Griechenland zu entlasten. Doch geschehen ist bislang so gut wie nichts. Nur knapp 200 Menschen haben im Rahmen dieses Programms eine neue Heimat gefunden. Mit anderen Worten: In der EU mangelt es nicht nur an gemeinsamen Positionen, sondern auch an der Umsetzung von Beschlüssen. An Verhandlungen zur Übernahme von Flüchtlingen aus der Türkei beteiligt sich denn auch nur ein Teil der EU-Staaten, ein so genannter „Klub der Willigen“ unter der Führung von Deutschland und Österreich. Auch hier zeigt sich: Durch Europa geht ein tiefer Riss, wenn es um die Hilfe für Flüchtlinge geht – kein gutes Omen. Völlig ungeklärt ist derweil, ob die Milliarden von Euro, die die EU der Türkei zur Verfügung stellen will, wirklich vollständig bei den Flüchtlingen ankommen werden. Und: Wie steht es um die Einhaltung von Menschenrechten? Wird die Türkei Menschen auch nach Syrien und Afghanistan abschieben? All das ist zu klären und wird noch etliche weitere EU-Gipfel beschäftigen.
Ein großes Thema auf dem Gipfel war auch der Verbleib Großbritanniens in der EU. Premierminister David Cameron hat dafür Bedingungen gestellt. Ein Autor der Stuttgarter Nachrichten fragt:
Muss man mit Sorge auf die Verhandlungen mit Großbritannien schauen? Die Antwort ist ein donnerndes „Ja und Nein“. Ja, denn ein Austritt der Insel könnte eine Kettenreaktion auslösen. Sie wäre Wasser auf die Mühlen all der europäischen Populisten, die den Menschen die Illusion vorgaukeln, ausgerechnet eine Renationalisierung der Politik wäre die Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung. Ohne die Briten verlöre die EU wirtschaftlich an Gewicht und politisch an Einfluss. Zudem verlöre die EU ein wichtiges Gegengewicht , denn die strikt marktwirtschaftliche Orientierung Großbritanniens war immer ein nützliches Gegengewicht zum stärker staatsinterventionistischen Kurs der Franzosen. Andererseits: Nein. Denn man kann in den Gesprächen mit Premier Cameron auch Chancen sehen. Manche seiner Forderungen sind nicht egoistisch, sondern kreuzvernünftig: Er dringt auf weniger Bürokratie und eine Neubesinnung darauf, welche Aufgaben am besten national, welche in Brüssel zu lösen sind. Allerdings: noch wichtiger als die britische Mitgliedschaft ist die Freizügigkeit. Sie ist Kern des europäischen Gedankens und darf nicht geopfert werden.
Die US-Notenbank hat in dieser Woche den Leitzins nach langer Zeit wieder angehoben. Ein Autor der Augsburger Allgemeinen wünscht sich nun, dass Europa bald nachzieht, hat aber keine großen Hoffnungen darauf:
Sparer müssen hierzulande noch länger in einer Zins-Magerwelt darben und den Preis zahlen, dass Länder wie Griechenland gegen jede wirtschaftliche Vernunft im Euro bleiben dürfen. Die USA hingegen schaffen es, sich mit eigener Kraft aus der seit der Finanzkrise im Jahr 2008 währenden Zins-Depression zu befreien. Das Land kann langsam das hoch dosierte Antidepressivum billigen Geldes absetzen und angesichts einer robusteren wirtschaftlichen Lage zu Zeiten zurückkehren, in denen künstliche Mittel zur Aufhellung der Konjunkturstimmung überflüssig waren. Dass Europa daran nicht Maß nehmen kann, zeigt, in welche tiefe Falle sich der Euro-Verein gestoßen hat.