Ein Rechtsruck in Europa? – Die Presseschau

Die Flüchtlingskrise und die Anschläge von Paris scheinen aktuell einen gefährlichen Rechtsruck in Europa zu bewirken. Darüber hat sich auch ein Autor des Handelsblatts Gedanken gemacht:

Presseschau

„2017: Marine Le Pen regiert Frankreich, Geert Wilders die Niederlande, Christoph Blocher die Schweiz und in Großbritannien, Belgien, Österreich, Dänemark und Deutschland regieren Rechtsradikale in Bund und vor allem den Ländern mit? Ja, und nicht zu vergessen, in Washington gebietet Donald Trump über die Streitkräfte mit Atomwaffen und Drohnen, lenkt die NSA und führt Krieg im Nahen Osten? Diese Schreckensvision einer neuen Achse des Bösen klingt unwahrscheinlich, unmöglich, ausgeschlossen. Doch wenn es aus unserer Nazi-Zeit eine große Warnung gibt, so heißt sie: Die Nazis und Adolf Hitler sind unerbittlich legal an die Macht gekommen. Sie wurden vom deutschen Volk gewählt. Warum sollten die Völker Europas und der USA zu Beginn des 21. Jahrhunderts nicht ebenso auf die unerbittlich legale, weil demokratische Wahl setzen?“

EU-Ratspräsident Donald Tusk hat Kanzlerin Angela Merkel deutlich kritisiert. Er ist mit ihrer Linie bei der Flüchtlingspolitik nicht einverstanden und empfindet die Krise als so groß, dass der Flüchtlingsstrom mit allen Mitteln gestoppt werden müsste. Ein Autor der Zeitung „Die Welt“ schreibt dazu:

„Tusks Aufgabe ist es, für Kompromisse zu sorgen, statt Streit zu verschärfen. Er ist der europäische Kanzleramtsminister, ungefähr so wie Peter Altmaier in Berlin. Der sorgt dafür, dass Streit zwischen gleichberechtigten Ressortchefs in Einigkeit über das Machbare mündet. Donald Tusk soll dasselbe im EU-Rat tun. Er vertritt die EU auf internationalen Gipfeln, aber intern hat er keine Richtlinienkompetenz. Die Dublin-Regeln zur Flüchtlingsverteilung müssen dringend reformiert werden. Sie stammen aus einer Zeit, in der kaum jemand ernsthaft mit Massenfluchten rechnete. Eine Aufgabe Tusks ist es, unter den EU-Mitgliedern Einvernehmen über einen Reformkompromiss zu funktionsfähigen Aufnahmeregeln auszuloten. Noch besser wäre es, es gäbe endlich das einheitliche europäische Asyl- und Grenzsicherungsrecht, das der Rat seit 1999 vor sich herschiebt. Dieses Projekt ohne Getöse mit vorzubereiten ist ebenfalls eine Aufgabe Tusks. Mit öffentlichen Angriffen gegen ein wichtiges Mitglied im EU-Rat bringt man als Vermittler solche Aufgaben nicht voran.“

Ein Autor der Zeitung „Zeit“ hat in dieser Woche geschrieben, dass die europäische Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung noch nicht erledigt sei.

„Wenn es um die Vorratsdatenspeicherung geht, sind viele europäische Politiker unbelehrbar. Wieder und wieder und wieder bezeichnen sie die anlasslose Speicherung von Kommunikationsdaten aller Bürger als unverzichtbares Instrument zur Verbrechensbekämpfung. Sie ignorieren dabei Urteile höchster Gerichte genauso wie wissenschaftliche Studien, die das Gegenteil belegen. Und sie behaupten, obwohl es nachweislich Unsinn ist, dass die Attentate der jüngeren Vergangenheit mithilfe der Vorratsdaten hätten verhindert werden können. Bereits 2010 zeigte der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung anhand von Zahlen der Kriminalstatistik auf, dass Vorratsdaten kaum einen Einfluss auf die Aufklärung von Verbrechen haben. Zum gleichen Ergebnis kam das deutsche Bundeskriminalamt 2012. Das von der EU selbst finanzierte Studienprojekt Surveille belegt, dass Vorratsdaten einen gefährlichen Eingriff in Bürgerrechte darstellen und keineswegs weniger übergriffig sind als das Abhören von Kommunikation.“