Josep Borrell im exklusiven Interview – mit Video

Ein Tabubruch, ein Chefdiplomat ohne Glaskugel, aber mit ein bisschen Stolz. Sein offizieller Titel ist: Hoher Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik. Einfacher gesagt ist Josep Borrell der Chefdiplomat der EU. Und als solcher hat er den Kollegen von Euranet Plus seine Sicht auf die sich verändernde Welt, und die EU im Zusammenspiel mit Russland und der Ukraine erläutert. Eine Frage aus Polen war, ob die Ukraine auch dann Mitglied der EU werden kann, wenn es keinen Frieden oder Waffenstillstand gibt.

Josep Borrell FontellesEU

Josep Borrell Fontelles

„Ich habe keine Kristallkugel, um ihnen sagen zu können, wie es militärisch weitergeht, wie lange der Krieg dauern wird. Das Einzige, was ich sagen kann, ist, dass wir die Arbeit, die erforderlich ist, damit die Ukraine Mitglied der EU wird, sehr ernst nehmen und so viel wie möglich beschleunigen. Da ist ein fester Prozess. Und gleichzeitig unterstützen wir das Militär der Ukraine weiterhin, um sich gegen die Aggression zu verteidigen und die von Russland besetzten Gebiete zurückzuerobern. Wir spielen da auf zwei verschiedenen Bühnen.“

Den sicheren Hafen der Ukraine sieht Borrell in der EU. Und auch wenn die EU keine militärische Allianz sei…

„…aber Mitglied der EU zu sein, gibt eine strake Sicherheitsgarantie. Denn man ist Teil eines Blocks, der mit starken Verbindungen der Solidarität kommt.“

Genau das sei es auch, was Putin unterschätzt habe. Sein Fehler sei gewesen, auf die Uneinigkeit der EU zu setzen, ein schwaches transatlantisches Bündnis, und die falsche Hoffnung, nicht weiter von NATO-Staaten umgeben zu werden. Auch die militärische Zusammenarbeit der EU mit der Ukraine habe Putin nicht so erwartet. Und dass er das mit angeschoben habe, darauf sei er auch ein bisschen stolz, sagt Borrell.

„Ja, ein Tabu wurde gebrochen. Wir liefern keine Waffen in ein Kriegsgebiet. Und doch liefern wir Waffen an ein Land im Krieg. Denn dieses Land ist überfallen worden. Es ist in unserer Nachbarschaft. Und ihr Kampf ist Teil unseres Kampfes.“

Und auch die Menschen in der EU stehen weiter voll an der Seite der Ukraine. Das würden Umfragen und Statistiken klar belegen.

„Es gibt Unterschiede, sicherlich in den baltischen Staaten vielleicht mehr als in anderen, aber im Durchschnitt sehr hoch.“