„Fauler Teilkompromiss“ in der Flüchtlingskrise – Die Presseschau

In Sachen Flüchtlinge ist die EU in dieser Woche endlich einen Schritt weiter gekommen. Beim EU Sondergipfel wurde u.a. mehr finanzielle Unterstützung für die Nachbarländer Syriens beschlossen. Die Mehrheit der EU-Innenminister hat die Verteilung von 120.000 Flüchtlingen gegen den Willen von vier osteuropäischen Staaten beschlossen. Ein Autor des Handelsblattes fragt: war das klug?

 

Presseschau

Es war höchste Zeit, dass die Minister die Entscheidungsfähigkeit der EU bewiesen haben. Einerseits. Andererseits entspricht die Einigung in der Realität doch nur einem faulen Teilkompromiss. Er hilft zwar kurzfristig, den Gesichtsverlust zu vermeiden, verschiebt die Lösung altbekannter Probleme aber nur auf später. Doch unmittelbar vor dem für diesen Mittwoch anberaumten informellen Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs zur Flüchtlingskrise war das Scheitern der Minister keine Option. Kaum jemand wollte sich von den Ungarn und anderen Verteilungsgegnern noch länger am Nasenring durch die Manege ziehen lassen. Denn die Chefs wollen sich aufs große Ganze konzentrieren, auf die außenpolitische Dimension der Flüchtlingskrise: Ursachenbekämpfung, Schutz der Außengrenzen, Beilegung des Bürgerkriegs in Syrien… etc. Das ist aller Ehren wert. Doch wollen die Regierungen der EU-Staaten nach innen allen Ernstes alle paar Monate neue Notfallmechanismen debattieren und sich das Leben gegenseitig schwer machen? Das kann, das darf nicht wahr sein, weil es keine Zukunft hat.

Brexit bleibt Thema

Angefacht durch die Flüchtlingsdiskussion ist auch der Brexit wieder ein Thema. Angeblich will eine Mehrheit der Briten aus der EU austreten, wenn das Land gezwungen wird, weitere Flüchtlinge aufzunehmen. Ein Autor der Süddeutschen Zeitung schrieb, dass die EU in dem Fall in Gefahr gerät:

Klar ist: Ohne Großbritannien verlöre die EU spürbar an Wirtschaftskraft. Sie würde sich außen- und sicherheitspolitisch einen Arm abhacken. Auch die Statik der Union geriete in Gefahr. Das relative Gewicht Deutschlands nähme in einer Weise zu, die weder Deutschland noch andere wollen können. Cameron kann also davon ausgehen, dass die anderen die Briten in der EU halten möchten. Was er nicht weiß: Wie sehr? Cameron braucht die perfekte Balance. Für einen „besseren Deal“ müsste er gerade so viel von der EU heraushandeln, dass es zu Hause reicht – und so wenig, dass es für die EU-Partner nicht zur Zumutung wird. Das wird schwierig werden, weil die Übung selbst schon eine Zumutung in sich trägt. Cameron verhandelt mit gezogener Waffe, wobei man darüber streiten kann, ob er dabei auf sich oder die anderen zielt.

Die Wahl in Griechenland

Ein weiteres großes Thema in der zurückliegenden Woche war auch die Wiederwahl von Ministerpräsident Alexis Tsipras in Griechenland – seine Partei gewann die vorgezogenen Neuwahlen überraschend deutlich. Ein Autor der Neuen Westfälischen hat sich dazu Gedanken gemacht, was das für die EU bedeutet:

Die Gratulation des Gipfelchefs kam einer Ermahnung gleich. „Ihr Einsatz und Ihre Führungskraft bei der Umsetzung des wirtschaftlichen Anpassungsprogramms sind entscheidend für die Erholung der griechischen Wirtschaft“, schrieb Donald Tusk, Präsident des Europäischen Rates der Staats- und Regierungschefs, dem wiedergewählten Alexis Tsipras. Der Sieg des Syriza-Vormanns ist ein Ergebnis, mit dem die EU-Partner und -Institutionen leben können. Nichts, was Griechenland angeht, ist dabei aber wirklich sicher. Die umgehende Fortsetzung der im vergangenen Winter überraschend begründeten Koalition in Athen hat freilich auch ihre positive Seite: Sie erspart langwierige Koalitionsverhandlungen – das wäre aus Sicht der Brüsseler Euro-Manager das schlechteste aller Szenarien gewesen.