Jahresrückblick Folge 4 – Familienzoff

Die Silvesterfeier liegt vor uns: Hütchen auf, Wunderkerzen in die Hand und schon mal Rückwärtszählen üben. Vielleicht feiern Sie dieses Jahr eher ruhig, vielleicht mit Freunden, vielleicht aber auch mit der Familie. Dass letzteres gerade wegen der engen Bindung nicht immer eine leichte Angelegenheit ist, das wissen die meisten von uns. Das weiß aber auch die EU – denn Familienzoff gehörte zum Jahr 2016. Euranet Plus Urte Modlich blickt für uns zurück:

EU_Flagge_Brexit

Was uns nicht tötet, macht uns stark. Mit diesen Worten reagiert EU-Ratspräsident Donald Tusk auf den größten Familienzoff des zurückliegenden Jahres. Die Briten hatten ganz offensichtlich genug von Brüssel und schrieben eine Abschiedsbrief – in Form eines Referendums: Im Juni entschied sich Großbritannien für den Brexit, für den Austritt aus der EU. Anführer dabei war Nigel Farage, der Chef der Anti-EU-Partei Ukip. Und was macht der direkt nach dem Referendum? Ebenfalls Tschüss sagen… Ich will mein Leben zurück sagt er, den schwierigen Austritt überlässt er lieber den anderen. Hauptverantwortung trägt dabei die neue Premierministerin Theresa May. Im Frühjahr will sie den EU-Austritt offiziell beantragen.

Der Abschied von Großbritannien ist auch so ein bisschen ein Abschied von der Idee der europäischen Solidarität. Und genau um diesen wichtigen Punkt Solidarität geht es in 2016 immer wieder – gerade in der Flüchtlingsfrage. Eine gerechte Verteilung innerhalb der EU gelingt einfach nicht – Blockaden gibt es von Ländern wie Polen und Ungarn. Dessen Präsident Viktor Orban hatte im Oktober ein Referendum zur EU-Flüchtlingsquote in die Wege geleitet – in der Hoffnung, seine eigene Position stärken zu können. Doch am Ende stand fest: Zu wenig Beteiligung, Befragung ungültig. Die Opposition jubelt, EU-freundliche Ungarn sind erleichtert: „Wir schämen uns alle, seitdem diese Hetzerei angefangen hat. Wir vertrauen der EU viel mehr als unserer Regierung.“

Auch zwischen Polen und der EU gibt es immer wieder Ärger. Die nationalkonservative Regierung baut das Land mit seltsamen Methoden um, Sorgen Seitens der EU versucht Regierungschefin Beata Szydlo zu zerstreuen: „Wir sind Teil eines geeinten Europas und das hat für uns einen unschätzbaren Wert. Über viele Jahrzehnte mussten wir dafür kämpfen, dass wir Meinungsfreiheit haben, dass wir unseren Staat selbst aufbauen konnten. Dafür haben wir gekämpft und wir lassen uns das nicht wegnehmen.“
Die EU hingegen ist auf den einstigen Musterschüler gar nicht so stolz. Sie sorgt sich um die Unabhängigkeit der polnischen Justiz und droht mit Konsequenzen – Am Ende könnte sogar der Artikel 7 des EU-Vertrags greifen. Was das bedeutet erklärt Europarechtler Volker Böhme-Neßler:

„Das ist das Verfahren, dass man die Beteiligungsrechte eines Staates suspendieren kann. Sie dürfen nicht mehr mitreden. Das würde bedeuten: Polen bleibt EU-Mitglied, darf aber im Europäischen Rat und in den Ministerräten nicht mehr mit abstimmen.“

Es ist also derzeit schwierig, in der Familie EU. Doch ein gutes Oberhaupt bemüht sich immer und trotz riesiger Hürden um Schlichtung, deswegen erklärt Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in seiner diesjährigen Rede zur Lage der Union:

„Ich appelliere an unser aller Verlangen, unsere Differenzen und die Spaltung zu überwinden.“ In diesem Sinne – im kommenden Jahr machen wir’s besser!