Maut als kleine Sensation – Die Presseschau

Es ist schon fast eine kleine Sensation: die EU-Kommission will die deutsche PKW-Maut offenbar doch genehmigen. Zuvor hatte es immer geheißen, dass sie Ausländer einseitig benachteiligt und das nicht geht. Ein Kommentar aus der Neuen Westfälischen:

Presseschau

„Nun wird sie also kommen, die Mautplakette für alle, die in diesem Land ein Auto besitzen, und für alle, die mit ihrem Auto durch dieses Land hindurch fahren. Letztere sind der Anlass für das bürokratische Monster, das nun entsteht. Deutschland ist Transitland, trägt aber die Kosten für die Infrastruktur, die halb Europa mitnutzt, allein. Deshalb sollen nun die Durchreisenden zur Kasse gebeten werden. So wie es Österreich und die Schweiz mit anderen Modellen längst tun. Das sind übrigens Nachbarländer des CSU-Freistaats Bayern. Kein Wunder, dass dort neidisch über die Grenze geblickt wird. In NRW schaut man anders zu den Nachbarn. Belgien und die Niederlande, die alles Recht der Welt hätten, das gleiche Klagelied des Transitlandes zu singen, erheben keine Maut. Mal sehen, wie lange noch. Wir sollten alle genau darauf achten, dass wir nicht wieder etwas aus dem Gedächtnis verlieren – eben jene Rückerstattung. Wer sagt, dass die langfristig gilt? Welcher Staat gibt Geld, das er einmal hat, gern wieder zurück?“

Der Tagesspiegel hat sich mal wieder mit dem türkischen Präsidenten beschäftigt. Dort wird festgestellt: Erdogan pfeift auf die Meinung der EU und damit auch auf den vermeintlich gewollten EU-Beitritt:

„Nicht zum ersten Mal schickt der türkische Staatspräsident sich aus innenpolitischen Motiven heraus an, wichtige EU-Normen über Bord zu werfen. Vor der Aufnahme der Beitrittsgespräche im vergangenen Jahrzehnt hatte Erdogan plötzlich überlegt, Ehebruch unter Strafe zu stellen. Er warb damit um die Unterstützung konservativer Kreise, ließ das Vorhaben zur Bestrafung von Ehebrechern aber bald wieder in der Schublade verschwinden. Zurzeit redet Erdogan von der Wiedereinführung der Todesstrafe. Auch diesmal geht es ihm um die Stimmen rechtskonservativer Türken – doch die Folgen des Manövers dürften wesentlich weitreichender sein. Mit der Rückkehr zur Todesstrafe riskiert Erdogan den Rauswurf seines Landes aus dem Europarat und den Abbruch der EU-Beitrittsgespräche. Die Reaktion Europas auf die immer offenere Abkehr vom Rechtsstaat ist Erdogan egal. Er glaubt sich sicher, dass die Europäer und die USA sein Land mehr brauchen als umgekehrt – wegen der Flüchtlingskrise und wegen des Kampfes gegen den Islamischen Staat (IS).“

Digitalkommissar Günther Oettinger steht seit Tagen in der Kritik. Grund: ein Video, dass ihn bei umstrittenen Aussagen zeigt, in dem er Chinesen als Schlitzaugen bezeichnet. Ein Autor der Zeit glaubt, er will den Trump machen:

„Günther Oettinger wollte wohl auch dazugehören, zu den coolen Typen, zu denen, die die Schlagzeilen bestimmen mit ihren Provokationen. Oettinger hatte auf einer Veranstaltung eines Unternehmensverbands in Hamburg auch über Mütterrente, Mindestrente, Rente mit 63, Betreuungsgeld und eine „Pflicht-Homoehe“ – Themen, die angeblich die deutsche Politik bestimmen. Er nutzte die übliche Strategie: Im scheinbar geschützten Raum – in seinem Fall nicht in der Umkleidekabine, sondern unter gleichgesinnten Unternehmern – vom Leder ziehen und hinterher sagen: Wir waren doch nur unter uns, und außerdem war das doch gar nicht so gemeint. „Salopp“, nennt er es im Nachhinein. Und Respekt habe er doch trotzdem. Im Vergleich mit Trump ist Oettinger allerdings in seinen Äußerungen schwäbisch sparsam: ein Rassismuschen hier, eine Prise Homophobie da. Wohldosiert, um die Karriere nicht zu gefährden. Wir wussten vorher schon, dass der CDU-Politiker eher auf der Seite der Unternehmer als auf der der Alleinerziehenden und armen Rentner steht. Und wahrscheinlich ist er kein Homosexuellen- und Chinesenhasser. Die Provokation bleibt also hier ein Provokatiönchen, Oettinger nur ein Gauländle.“