Vom Saulus zum Paulus

Vom Saulus zum Paulus oder vom Paulus zum Saulus – Egal, aus welcher Perspektive man es betrachtet, eins ist sicher: Der britische Außenminister und Brexit-Befürworter Boris Johnson ist der König der Wendehälse. Denn vor gar nicht so langer Zeit warb der große Blonde noch vehement für die EU. Ob da biblische Erscheinungen hinter stecken oder die Gründe wesentlich profaner sind – Urte Modlich ist der Sache nachgegangen.

Boris Johnson, Federica Mogherini.

Boris Johnson, Federica Mogherini.

Wie passen diese beiden folgenden Aussagen zueinander. Zunächst Boris Johnson bei einer BBC-Debatte im vergangenen Juni:

„Wenn wir für den EU-Austritt stimmen und die Kontrolle wieder übernehmen, dann glaube ich daran, dass dieser Tag unser Unabhängigkeitstag werden kann.“

Und nun Johnson vier Monate zuvor: Wenige Tage, bevor er sich offen für den Austritt aussprach, schrieb er in einer unveröffentlichten Kolumne, in der EU zu bleiben, sei

„ … ein Segen für die Welt.“

Und er appellierte leidenschaftlich:

„Denken Sie an das Verlangen ihrer Kinder und Enkelkinder, in anderen europäischen Ländern zu leben und zu arbeiten, dort Dinge zu verkaufen, Freunde zu finden oder vielleicht sogar Partner. Stellen Sie sich die Frage: Wollen Sie wirklich, dass das Vereinigte Königreich die EU verlässt?“

Wirtschaftsschock, ein Auseinanderbrechen Großbritanniens, russische Aggression – all das könnte mit einem EU-Austritt auf die Briten zukommen, warnt Johnson in dem zurückgehaltenen Artikel – später ist davon keine Rede mehr. Warum aber dieser Sinneswandel? Kommentatoren haben dafür eine ganz simple Begründung: Johnson wollte einen Machtkampf gegen den damaligen Premierminister David Cameron gewinnen und sich deutlich von ihm abgrenzen. Mit einer einfachen Methode: Wenn Cameron Ja zur EU sagt, musste er am Ende eben doch Nein sagen.