„Alles wie unter einem Tuch“

Eine Woche ist der Putschversuch in der Türkei jetzt her, und es vergeht kaum ein Tag, an dem wir uns nicht verwundert die Augen reiben über die Dinge, die seitdem in dem Land passieren. Es wird offen über die Wiedereinführung der Todesstrafe diskutiert, zehntausende Lehrer, Beamte, Polizisten und Militärangehörige wurden entlassen. Wie lebt es sich also momentan in diesem Land. Holger Winkelmann hat mit dem Bielefelder Journalistik-Studenten Tobias Schreiner gesprochen, der momentan in Istanbul lebt.

Bild der Blauen Moschee in Istanbul.

Es ist wahrscheinlich selten, dass ein Journalistik-Student auf die Frage eines Journalisten nur schwer Antwort findet. Aber die Lage in der Türkei sorgt dafür, dass Tobias Schreiner nach Worten sucht. Die Stimmung in der Türkei ist momentan zum Beispiel nur schwer zu beschreiben.
„Die Stimmung ist sehr angespannt. Man hat so ein bisschen das Gefühl, dass so eine Art Tuch auf den Gemütern liegt. Die Stimmung ist gespalten. Es gibt einerseits die, die krasse Gegner von Erdogan sind und die das Ganze mit großer Sorge beobachten. In meinem Bekanntenkreis sind das die meisten. Ich glaube aber es ist der Großteil der Leute, die Erdogan unterstützen. Und wenn man sich anguckt wieviel tausende Leute hier täglich auf die Straße gehen und für Erdogan demonstrieren, ist das schon bedrückend.“

Bedrückend war die gesamte vergangene Woche für Tobias. Er lebt seit einem halben Jahr in der Metropole am Bosporus. In dieser Zeit gab es dort und im ganzen Land mehrere Terroranschläge, unter anderem auf der Haupteinkaufsmeile Istanbuls. Die Istanbuler haben also viel erlebt und sind dabei, mit dem Terror zu Leben – seit einer Woche ist es trotzdem anders.
„Das ist irgendwie ein anderes Level. Die Leute leben ihr Leben normal weiter. Mittlerweile ist auch wieder Verkehr auf den Straßen. Die Leute gehen auch wieder aus. Aber trotzdem, ich habe das Gefühl, dass sich die Stadt trotzdem in so einer Lähmung befindet und alle jetzt darauf warten, was als nächstes kommt.“
Und diese Stimmung überträgt sich auch auf weite andere Teile des Landes. Viele sind verwirrt und verunsichert. Wie lange das noch anhalten wird, weiß heute niemand.