Verwirrung vor der Glyphosat-Entscheidung

Die Stimmung ist vergiftet – kurz vor der Entscheidung über eine weitere Zulassung von Glyphosat. Der EU-Expertenausschuss berät seit heute über die Zukunft des umstrittenen Unkrautvernichters. Die Verwirrung ist vor der wichtigen Entscheidung besonders groß: sowohl Befürworter aus Industrie und Landwirtschaft – als auch Gegner wie Umweltorganisationen zitieren aus Studien der Weltgesundheitsorganisation… Joris Gräßlin berichtet.

Blick über ein reifes Kornfeld vor blauem Himmel.

Glyphosat – ein Pestizid, das in der Landwirtschaft eine große Hilfe ist – weil es Unkraut vernichtet. Glyphosat – auch ein Pestizid, das krebserregend ist? Anfang 2015 hatte die Weltgesundheitsorganisation vor den Gefahren gewarnt. Jetzt allerdings – kurz vor der Entscheidung über die weitere Zulassung – gibt es plötzliche eine neue Studie der WHO. Die sagt aus: Glyphosat sei nicht krebserregend. Aktivisten von Campact zweifeln das an, in einem Youtube-Video heißt es:

„Für die erneute Zulassung von Glyphosat erstellten Monsanto und andere Pestizidhersteller einen umfangreichen Bericht. Darauf aufbauend haben die Behörden die Risiken von Glyphosat beurteilt und dabei Bewertungen der Pestizidhersteller unkritisch übernommen. Mehrere anerkannte, wissenschaftliche Studien belegen eine erhöhte Krebsgefahr beim Menschen. Doch diese Studien wurden von den Behörden einfach als nicht relevant aussortiert.“

Auch Wissenschaftler kritisieren in einem offenen Brief das Vorgehen der Behörden. Umweltschutzaktivisten haben europaweit mehr als 230.000 Unterschriften gegen die Zulassung von Glyphosat gesammelt. Lobbyisten von Hersteller Monsanto halten dagegen – einer von ihnen ist Patrick Moore. In einem Interview mit dem Französischen Fernsehen bezeichnete er das Pestizid sogar als trinkbar. Als ihm ein Glas angeboten wird, rastet er aus.

„Ich bin doch nicht blöd. Ich weiß, dass Menschen damit Selbstmord begehen wollen – aber scheitern.“ „Also ist es gefährlich“, fragt der Journalist. „Sagen Sie uns die Wahrheit!“ „Nein“, antwortet der Lobbyist, beendet das Interview und nennt den Reporter einen Volltrottel.

Doch es gibt tatsächlich auch gute Gründe für eine weitere Zulassung von Glyphosat. Der Unkrautvernichter gilt als effektiv und günstig, heißt es von Landwirtschaftsverbänden und aus Teilen der CDU. Die SPD hat sich mehrheitlich gegen eine Freigabe entschieden. Morgen wollen alle 28 Mitgliedsstaaten eine Entscheidung treffen – sollte es keine Mehrheit geben, könnte die EU Kommission ihre Pläne durchsetzen. Die sehen vor, Glyphosat für weitere neun Jahre zuzulassen.