Der Karlspreis für den Papst

Er ist nicht zimperlich im Umgang mit Europa – Papst Franziskus bezeichnet unseren Kontinent als blutleer und unkreativ. Er sagt: Das Flüchtlingselend sei eine Schande – unsere Schande! Und trotzdem – oder gerade deswegen – hat er heute den Europäischen Karlspreis für seine Verdienste um Europa verliehen bekommen. Urte Modlich über einen ruhigen Mann und seinen lauten Weckruf:

Bildausschnitt mehrerer EU-Flaggen, die an Fahnenmästen wehen, im Hintergund ein Gebäude der EU-Kommission in Brüssel.

Europakritiker gibt es in diesen Zeiten zu Hauf – doch mit dem Papst ist das anders, findet EU-Parlamentspräsident Martin Schulz. Warum, das lässt sich sehr gut an der Rede des Papstes Ende 2014 im europäischen Parlament erkennen. Denn auch hier ging Franziskus mit Europa hart ins Gericht – zunächst, indem er noch von der in der EU herrschenden Einsamkeit sprach:

„Das wird vor allem sichtbar bei den alten Menschen, die oft ihrem Schicksal überlassen sind. Es wird sichtbar bei den vielen Armen, die unsere Städte bevölkern. Und es wird sichtbar in den verlorenen Blicken der Migranten, die auf der Suche nach einer besseren Zukunft hierhin gekommen sind.“

Sehr klar formulierte der Papst, dass Europa genau in diesem Punkt aber schwach und

„…nicht mehr fruchtbar und lebendig ist. Demnach scheinen die großen Ideale, die Europa inspiriert haben, an Anziehungskraft verloren zu haben – zugunsten von bürokratischen Verwaltungsapparaten der Institutionen.“

Zum Ende der Rede blieb kein Interpretationsspielraum mehr – der Appell ist eindeutig:

„Man kann nicht hinnehmen, dass das Mittelmeer zu einem großen Friedhof wird!“

Und nun kommt das, was den Papst nach Meinung von Martin Schulz von den meisten EU-Kritikern unterscheidet. Franziskus kritisiere nicht nur, sondern erinnere uns auch daran, wie wir es besser machten könnten. Nämlich wenn wir uns auf unsere traditionellen Werte besinnen würden.