Scheitern der Maut-Pläne ist eingeplant

Bundesarbeitsministerin Nahles hat in dieser Woche eine Entscheidung verkündet. Bürger aus anderen EU-Staaten sollen frühestens nach einem fünfjährigen Aufenthalt Anspruch auf Sozialleistungen in Deutschland erhalten. Ein Autor der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hat sich damit auseinandergesetzt:

Presseschau

„Es betrifft zwar nur eine überschaubare Gruppe von EU-Bürgern, denen Arbeitsministerin Andrea Nahles den Geschmack auf deutsche Sozialleistungen verderben will. Aber ihr Gesetzentwurf, der Sozialleistungen daran bindet, längere Zeit gearbeitet zu haben, nimmt einer verbreiteten und durchaus berechtigten Stimmung den Wind aus den Segeln, dass Einwanderung allzu oft nicht von Leistungsbereitschaft, sondern vom Anreiz staatlicher Versorgung getrieben sei. Nicht umsonst gehört eine Regelung, wie sie Nahles jetzt vorgelegt hat, zu den wichtigsten Forderungen David Camerons, um den „Brexit“ abzuwenden. Nahles macht ihm jetzt allerdings auch vor, dass nur vor der eigenen, nationalen Tür zu kehren braucht, wer eine europarechtlich konforme Abhilfe schaffen will. Der Sinn der Freizügigkeit in der EU wird dadurch obendrein nicht etwa untergraben, sondern untermauert.“

Es ist seit rund zwei Jahren ein Dauerthema: die geplante deutsche PKW-Mat. Die EU-Kommission hat der Bundesregierung jetzt ein Ultimatum gesetzt: binnen zwei Monaten muss die Maut geändert werden, sonst könnte die Kommission im nächsten Schritt vor dem Europäischen Gerichtshof klagen. Der Brüssel-Korrespondent der Neuen Westfälischen meint dazu:

„Der Maut-Streit zwischen Berlin und Brüssel steuert auf eine gerichtliche Entscheidung zu. So weit, so wenig überraschend. Dass die Brüsseler EU-Zentrale, in ihrer Eigenschaft als Hüterin des EU-Rechts, Anstoß nimmt an Alexander Dobrindts Maut mit eingebauter Germanen-Verschonung, ist bekannt. Dass Dobrindt nicht daran denkt, auf die Bedenken einzugehen auch. Aus beidem ergibt sich für die Kommission die Verpflichtung, beim Vertragsverletzungsverfahren die zweite Stufe zu aktivieren. Ob Dobrindt tatsächlich glaubt, dass seine Infrastrukturabgabe europarechtlich sauber ist und das EU-Gericht ihm das bescheinigt, kann getrost offen bleiben. Dieser Plan A mag nur ein Plänchen sein, Plan B ist wichtiger: Dobrindt legt es darauf an, das vermutliche Scheitern seines Konzepts einer vernagelten EU-Bürokratie und -Gerichtsbarkeit anlasten zu können. Im CSU-Horizont ist eine Klatsche durch die Luxemburger Richter als Heldentat zu verkaufen und damit besser als eine Einigung mit Verkehrskommissarin Bulc. Dafür hätte man Abstriche machen müssen vom Wahlversprechen, wonach deutsche Autofahrer mit der Maut keinen Euro mehr bezahlen als bisher.

Nach dem Obama-Besuch in Deutschland in der zurückliegenden Woche geht es nun an die Aufarbeitung der Visite. Ein Autor der Westfälischen Nachrichten resümiert, dass der Besuch Obamas von viel Symbolik geprägt gewesen sei. Er habe Europa ins Gewissen geredet und zugleich die transatlantische Werte¬gemeinschaft beschworen:

„Terror, Flüchtlingskrise, Ukraine-Krieg: Die Welt ist in gefährliche Unordnung geraten. Die EU läuft Gefahr auseinan¬derzufallen – Stichwort Brexit. Wie anfällig und kurzlebig verlässliche Politik geworden ist, zeigt das Beispiel der Bundeskanzlerin. In Europa nahezu isoliert, hat Angela Merkel folgenreich an Einfluss verloren. Dennoch – und das ist eine Botschaft des scheidenden US-Präsidenten – stärkt er der Kanzlerin den Rücken für ihre Politik. Merkel ist noch immer die Klam¬mer im transatlantischen Bünd¬¬nis, auch wenn das Verhältnis zu Obama nie einfach war. Amerika braucht ein starkes Europa als Stabilitätsanker. Und Europa braucht die USA als Partner. Die zunehmend nationalistischen Tendenzen in der EU verschlimmern nur das Maß an Unordnung. Es ist richtig, aber beinahe schon beschämend, wie Obama die Europäer nun in die Pflicht nehmen muss.“