Keine einfache Reise – Die Presseschau

Die Flüchtlingskrise bleibt das beherrschende Thema in Europa. Bundeskanzlerin Merkel reist morgen in die Türkei, um mit dem umstrittenen Präsidenten Erdogan zu sprechen. Sicherlich keine ganz so einfache Reise, nachdem sich die EU grundsätzlich mit der Türkei auf dem EU Gipfel über ein gemeinsames Vorgehen verständigt hat.

Presseschau

Ein Autor der Augsburger Allgemeinen meint, Erdogan könne helfen, aber Europa müsse auch handeln:

„Die Flüchtlingsströme, die sich aus dem Nahen und Mittleren Osten in Richtung Europa ergießen, können nicht gestoppt oder wenigstens verlangsamt werden, wenn die Türkei nicht mitspielt. Erdogan ist sich dieser Position bewusst, und er stellt harte Bedingungen. Dass sich der Westen stärker finanziell bei der Versorgung der zwei Millionen syrischen Flüchtlinge in der Türkei engagiert. Dass sein Staat von der EU das Gütesiegel „sicheres Herkunftsland“ verliehen bekommt. Und dass der Visumzwang für Türken bei Reisen in die EU entfällt. Niemand sollte sich Illusionen machen. Die Kanzlerin kann und will wohl auch nicht als Unterhändlerin der EU Verhandlungen führen. Deswegen wird Europas Problem eines zu großen und zu schnellen Flüchtlingsansturms an diesem Wochenende nicht gelöst werden. Sicher wird Merkel über die Krise reden, und sie wird auch ansprechen, dass Erdogan der EU helfen kann. Aber weitreichende Zusagen wird sie kaum erhalten. Gut wäre, wenn wenigstens das zuletzt kühle Klima zwischen der Türkei und der EU verbessert würde.“

Das Flüchtlingsthema einmal wieder von der positiven Seite sehen – das hat sich ein Autor der Süddeutschen Zeitung vorgenommen. Er nennt in seinem Kommentar zwei gute Vorbilder für ganz Europa – zwei Kommunen die über die Grenzen hinweg zusammenarbeiten:

„Die Gemeinden Schöngeising und Lallio zeigen, wie europäische Politik bei der Bewältigung der Zuwanderung von Flüchtlingen funktionieren kann. Nicht gegenseitige Schuldzuweisungen helfen weiter, sondern gegenseitiges Zuhören. Statt dauernder Appelle an die Solidarität des anderen gilt es, erst einmal dessen Erfahrungen und Sichtweisen kennen zu lernen. Die Kommunalpolitiker aus Schöngeising und seinem italienischen Partnerort Lallio haben dies am Wochenende getan. Das ist bemerkenswert und ungewöhnlich für ein Treffen zwischen Partnergemeinden. Freilich haben die Kommunalpolitiker aus den beiden Orten keine Patentlösungen gefunden, wie sich der Zuzug der vielen Flüchtlinge bewältigen lässt. Doch das Treffen hat deutlich gemacht, dass die Aufgabe der Integration der vor Krieg und Verfolgung Geflohenen nur an der Basis, also in den Kommunen gelöst werden kann. Denn dort kommen die Flüchtlinge an und dort wohnen die Leute, die bei der Eingewöhnung helfen können, die Kontakte herstellen, Sprachnachhilfe geben, zur Behörde mitgehen oder eine Wohnung finden können.“

Ein weiteres EU-Spannungsthema bleibt auch das Freihandelsabkommen TTIP. Am vergangenen Wochenende gab es dagegen unter anderem in der Hauptstadt große Proteste. Ein Autor der Berliner Morgenpost schrieb dazu:

„Das umstrittene Freihandelsabkommen mit dem sperrigen Namen TTIP weckt so viel Protestpotenzial wie zuletzt vielleicht Demonstrationen gegen den Irak-Krieg. Das erstaunt Politiker und Bürokraten, die eben dieses Abkommen lieber unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt hätten. In verschlossenen Zirkeln, mit geheimen Sitzungen und unzugänglichen Dokumenten – was für ein rückständiges und gefährliches Verständnis von Demokratie. Demokratie ist in dieser Denkweise, wenn Top-Bürokraten und Interessenverbände unter Ausschluss jeglicher Öffentlichkeit ein undurchschaubares Vertragswerk basteln, das Hunderte Millionen Menschen betrifft. Ein Regelwerk, das ihre Lebensmittel, ihre Medikamente, ihre Rechte bei Daten- und Verbraucherschutz verändern kann. Dass es solche Formen der pseudodemokratischen Normsetzung für Millionen von Menschen überhaupt gibt, ohne dass eine wirksame parlamentarische Kontrolle erfolgen kann, ist eine Perversion des Parlamentarismus. Ein System in dem etwa die EU-Kommission beim Thema TTIP offenbar wie ein sich selbst ermächtigendes Perpetuum Mobile agiert.“