Die Schattenseiten der Arbeitnehmerfreizügigkeit

Ständige Bereitschaft, 24 Stunden am Tag. Die Bezahlung nicht ganz so großzügig. Die acht Stunden tägliche Arbeitszeit stimmen nur auf dem Papier, der Stundensatz „variabel“. Und wenn man mit den Leistungen nicht zufrieden ist, wird der Arbeitnehmer halt gefeuert – von heute auf morgen. Nichts für Sie? Dann übernehmen das eben Frauen aus Osteuropa. Sie werden in Deutschland häufig als Pflegekraft eingesetzt – und erleben die Schattenseiten der EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit.

Zwei alte Hände vor einer Spitzentischdecke - in der rechten Hand eine Dose mit vorsortierten Medikamenten, in der linken Hand eine der Tabletten.

Billig-praktisch-gut: Das Geschäft mit der Rund-um-die-Uhr-Pflege haben sich etliche Vermittlungsagenturen in Deutschland und Polen zu Nutze gemacht. Sie profitieren von der Arbeitnehmerfreizügigkeit, also der Tatsache, dass EU-Bürger in jedem Mitgliedsland ohne großen bürokratischen Aufwand arbeiten können. Viele Pflegekräfte kommen aus Osteuropa, zum Beispiel Polen. Diese Frauen erleben sehr häufig pure Ausbeutung, erklärt Sylwia Timm von der Beratungsstelle Faire Mobilität: „Ob das mit Arbeitsrecht vereinbar ist oder nicht, ist eigentlich egal. Denn wenn diese Frauen den Anweisungen nicht folgen, werden sie vor die Tür gesetzt.“ Bezahlt wird oft nicht mal der gesetzliche Mindestlohn, dafür aber muss rund um die Uhr gearbeitet werden. Und es gibt immer wieder neue Fälle, die fassungslos machen. Sylwia Timm erzählt von einer Pflegekraft, die einen Menschen mit einer ansteckenden Krankheit betreute. Alle wussten von der Übertragungsgefahr, nur die Pflegerin nicht. Als jedoch plötzlich Krankenpfleger mit Mundschutz im Hause auftauchten, wurde die Frau aus Polen misstrauisch: „Daraufhin hat sie nachgefragt, was denn los sei, warum sie, die 24 Stunden für den Patienten zuständig ist, nur Handschuhe bekommt. Und warum bein Pflegedienst, der 10 Minuten im Haus ist, soclhe Schutzmaßnahmen notwendig sind und bei ihr nicht. Dann hat man sich dieser Frau entledigt, die Familie hat dann gesagt, man wolle diese Frau nicht.“ Dubiose Geschäfte mit Pflegekräften aus Osteuropa. Diese Schattenseite gehört zu einer an sich großartigen Errungenschaft: Der Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der EU.